Geschichte

Bis ins 13. Jahrhundert bestand das Wallis aus 12 Grosspfarreien. Diese entsprachen ursprünglich in etwa den zehn Amtsbezirken (Zenden) des Fürstbistums. So gehörte Grächen bis 1256 zur Grosspfarrei Visp und von da an zu deren Filialpfarrei Stalden, die erst 1535 selbständig wurde. Der Weg zum Gottesdienst nach Stalden führte teilweise durch sehr steiles, felsiges Gelände, und die Gläubigen schwebten vor allem im Winter oft in Lebensgefahr.

 

Das erste Gotteshaus Grächens wurde 1433 von Bischof Andreas Gualdo eingeweiht und erhilet den heiligen Jakobus, den Älteren als Kirchenpatron. Der Bischof ordnete auch die Errichtung einer Pfarrpfründe an und umschrieb das Verhältnis zu den Mutterkirchen Stalden und Visp. Grächen war aber vorerst noch keine selbständige Pfarrei, denn bis 1750 wurden Seelsorger, welche hier wirkten, zuerst als Kapläne und später meist als Rektoren bezeichnet. Ab 1632 konnten in Grächen Taufbücher geführt werden. Aus ihnen geht hervor, dass damals im Bergdorf 52 Familien lebten. Erst 1750 erfolgte die endgültige Trennung von Stalden. Heute zählt Grächen rund 1350 Einwohner, wovon über 95% römisch-katholisch sind.

 

Das Schiff des Gotteshauses von 1433 verlief in nordsüdlicher Richtung. Die zugemauerte Eingangstüre ist in der Südwand des heutigen Querschiffes noch deutlich erkennbar. Dendrochronologische Untersuchungen bestätigen, dass auch die unteren drei Geschosse des Glockenturmes und die Jakobuskapelle gleichzeitig entstanden sind. Man muss annehmen, dass letztere der Chor des Gotteshauses von 1433 war, auch wenn sie nicht in der Achse des Schiffes lag. Beim Kirchenbau von 1935 wurde der Rundbogen, welcher sie mit dem Schiff verband, bis auf die heutige Türe zugemauert.

 

Christian Nager aus Blitzingen im Goms (1692 - 1730 Seelsorger in Grächen) begann 1699 mit dem Umbau des Gotteshauses von 1433. Das Schiff wurde nach Westen hin erweitert, wo auch der neue Chor angefügt wurde. Südlich des neuen Gebäudes errichtete man eine Kapelle (Beinhaus) und zwischen ihr und der Kirche kam der Friedhof zu liegen. Am 24. August 1704 konnte Bischof Franz Josef Supersaxo die neue Kirche einweihen. DIe erste urkundlich erwähnte Restauration erfolgte um 1850 durch Pfarrer Paul Theler aus Ausserberg (1837 - 1856). Man nimmt an, dass er gleichzeitig auch den Turm um die heutige Glockenstube erhöhte, denn die hier eingebauten Holzbalken stammen aus dieser Zeit. Dafür spricht auch, dass das Mauerwerk dieses Teils nicht die gleiche Struktur aufweist wie jenes der unteren Stockwerke. Ausserdem wurden im darunten liegenden Geschoss die Fenster zugemauert, welche vorher als Schallöffnungen gedient hatten. Pfarrer Johann Werner aus Naters (1889 - 1899) liess dann während seiner Amtszeit die Schindeldächer der Kirche und des Beinhauses erneuern.

 

Im Jahre 1920 richtete Pfarrer Josef Weissen aus Unterbäch (1918 - 1928) einen Baufonds ein, denn die Kirche war für die rund 500 Einwohner Grächens zu klein geworden. Doch erst sein Nachfolger, Stanislaus Venetz aus der Nachbargemeinde Stalden, konnte das Werk in Angriff nehmen.

 

Archtiekt Dr. Adolf Gaudi aus Rorschach, der bereits mehrere Kirchen im Oberwallis gebaut oder umgebaut hatte, erhielt den Auftrag, ein neues Gotteshaus zu errichten. Er sollte dabei Schiff und Chor der bestehenden Barockkirche sowie die St. Jakobuskapelle und den Glockenturm in den Neubau integrieren.

 

Gaudi erwies sich als origineller und anpassungsfähiger Archtitekt, welcher die ihm gestellte Aufgabe auf kühne Art löste. Er liess die Seitenmauern des Schiffs und des Chors durchbrechen. Dies ermöglichte die Anfügung des neuen Chors im Norden und die Vergrösserung des bestehenden Schiffes im Süden zum heutigen Langhaus. Letzteres beanspruchte auch zusätzlich den Raum des Beinhauses und des Friedhofs. Der Friedhof wurde dann auf die Westseite der neuen Kirche verlegt.

 

Die Pfarrkirche von Grächen kann als Bauwerk des Übergangs vom Historismus zum neuen Stil bezeichnet werden. Gaudi benutzte zwar Gestaltungsmittel, die an die Romanik erinnern (Vorhalle, Türe, Fenster), verzichtete dann aber auf sichtbare statische Elemente (die Decke ist an einer Stahlkonstruktion befestigt) und verlieh dem Innern des Gotteshauses so den Charakter eines modernen Kultraums.

 

(Text: Reinhard Walter)